„Einzigartig und revolutionär“: Jenaer Konzept für Photonik in der Infektionsforschung erhält Bestnoten

Der Wissenschaftsrat (WR) bewertete die Pläne für das „Leibniz-Zentrum für Photonik in der Infektionsforschung“ (LPI) in Jena als sehr positiv. Dies geht aus dem am Montag, 17. Juli 2017 veröffentlichten „Bericht zur wissenschafts-geleiteten Bewertung umfangreicher Forschungsinfrastrukturvorhaben für die Nationale Roadmap“ hervor. Ab 2018 könnte ein nutzeroffenes Zentrum entstehen, an dem photonische Lösungen für Diagnostik, Monitoring und experimentelle Therapie bei Infektionen erforscht und mit der Industrie zu funktionstauglichen Lösungen entwickelt werden. Der WR lobt in seiner Bewertung den einzigartigen Photonik-Ansatz der weltweit zu einer verbesserten Diagnostik und Therapie führen könnte – insbesondere bei multi-resistenten Erregern. Gemeinsam beantragt wurde das LPI vom Leibniz-Institut für Photonische Technologien Jena e.V. (Leibniz-IPHT), dem Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie – Hans-Knöll-Institut (Leibniz-HKI) sowie dem Universitätsklinikum Jena und der Friedrich-Schiller-Universität Jena unter der Schirmherrschaft der Leibniz-Gemeinschaft.

Einzigartig, hervorragend, bahnbrechend und wegweisend – so bewertet der Wissenschaftsrat die Initiative für das „Leibniz-Zentrum für Photonik in der Infektionsforschung“ in Jena. Das LPI ist eines von elf Konzepten für umfangreiche Forschungsinfrastrukturen, das vom Wissenschaftsrat auf Bitte des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) begutachtet und vergleichend bewertet wurde. Das Bewertungsverfahren soll dem BMBF als Entscheidungsgrundlage für die Aufnahme in die Nationale Roadmap, dem Programm für Großforschungsprojekte der Bundesregierung, in der kommenden Legislaturperiode dienen.

Durch die Verbindung photonischer Methoden mit der Infektionsforschung entstehen am LPI diagnostische Ansätze und gezielte Therapieverfahren, welche direkt in die Anwendung und industrielle Produktion übertragen werden. Das Ziel ist insbesondere die Zusammenführung von Diagnostik und Therapie – die sogenannte Theragnostik. Nach Einschätzung des Wissenschaftsrats kann das LPI so „die Pathogendiagnostik weltweit revolutionieren“ und ein „enormes Potenzial für die Entwicklung neuartiger Technologien, neuer Sensoren und Messtechniken sowie neuer Leitstrukturen“ bieten.

Matthias Kleiner, Präsident der Leibniz-Gemeinschaft, sieht gerade im starken Anwendungsbezug den besonderen Charme des Vorhabens: „Das LPI schließt die in Deutschland noch bestehenden Lücken in der Translation von Forschungsergebnissen und verkürzt die Zeit bis zur Markteinführung drastisch. Bisher vergehen im Durchschnitt 14 Jahre, bis wissenschaftliche Ergebnisse in Form von Medizinprodukten Patienten zu Gute kommen. Die Verkürzung dieses Zeitraums durch das LPI wird ein großer Fortschritt sein.“

Das gemeinsame Forschungsvorhaben soll in einem Neubau auf dem Gelände des Universitätsklinikums Jena realisiert werden. „Somit können wir reale Patientenproben unter hochgradig standardisierten Bedingungen entnehmen, untersuchen und damit arbeiten“, sagt Michael Bauer, Direktor der Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin am Universitätsklinikum Jena (UKJ).

Lösungen in den anvisierten Problemfeldern haben laut WR eine „enorme gesellschaftliche Bedeutung“. Im wirtschaftlichen Bereich sei für den Standort Deutschland eine positive Wirkung zu erwarten.

Offene Nutzer-Plattform für schnelle Translation

Mit seinem disziplinübergreifenden Ansatz bedient das LPI nach Ansicht des Wissenschaftsrats einen sehr breiten Nutzerkreis in der Wissenschaft. Darüber hinaus bestehe ein sehr großes Interesse seitens der Wirtschaft. Als Plattform, die prinzipiell allen Nutzern offen steht, regelt das Leibniz-Zentrum den Zugang über ein Peer-Review-Verfahren, das die wissenschaftliche Exzellenz der vorgeschlagenen Projekte bewertet.

Mit der einzigartigen Zusammenführung von Photonik und Infektiologie verhilft das LPI nach Einschätzung des Wissenschaftsrats dem Forschungsstandort Deutschland zu einer erheblichen internationalen Steigerung an Sichtbarkeit und Attraktivität. Insbesondere der wissenschaftliche Nachwuchs werde durch das Master-Programm „Medizinische Photonik“ und durch Doktoranden-Programme angezogen. Auch für etablierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und klinisches Personal sei das LPI ein attraktives Umfeld. Für Thüringen und die Metropolregion Mitteldeutschland könnte die Infrastrukturmaßnahme demnach einen deutlichen Entwicklungsschub bedeuten.

Anknüpfung an etablierte Kooperationskonzepte in Jena

Die Grundidee hinter dem LPI ist eine maximale Bündelung von Wissen, Erfahrung und Sachverstand aus unterschiedlichsten Disziplinen: An dem Zentrum fließen die disziplinübergreifenden Kompetenzen der Leibniz-Gemeinschaft sowie des in Jena schon lange vorhandene Know-how im Bereich der Photonik und Infektionsforschung zusammen. Konkret kombiniert das LPI unter einem Dach die Forschungsansätze der beiden Leibniz-Forschungsverbünde „Leibniz Gesundheitstechnologien“ und „Infections‘21“ mit denen des in Jena ansässigen InfectoGnostics Forschungscampus, einer öffentlich-privaten Partnerschaft, die bereits erfolgreich Produkte für die Infektionsdiagnostik auf den Markt bringen konnte. Ebenso fließt die Erfahrung aus „InfectControl2020“ ein – ein in Jena für ganz Ostdeutschland koordiniertes BMBF-Projekt.

Jürgen Popp, Sprecher von Leibniz Gesundheitstechnologien und wissenschaftlicher Direktor des Leibniz-IPHT, sieht in diesem kooperativen Ansatz ein Jenaer Allein-stellungsmerkmal: „Basis für dieses national bedeutsame Vorhaben ist die außerordentlich enge und gute Zusammenarbeit zwischen Universität, Klinik und zwei Leibniz-Instituten, wie sie prägend für die Forschung in der Saalestadt ist.“

Das LPI soll in drei Phasen entstehen: Nach der derzeit schon laufenden Vorbereitungsphase (2016-2018) schließt sich eine Realisierungsphase an (2019-2023) und wird von einer Betriebsphase zur Nutzung und Verstetigung (2024-2033) abgeschlossen. Mit einer endgültigen Entscheidung und Veröffentlichung der Nationalen Roadmap durch das BMBF ist Anfang 2018 zu rechnen.